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Wo technische Interoperabilität endet

Ohne sie geht im digitalen Gesundheitswesen nichts: Interoperabilität. Sie bildet die Grundvoraussetzung für den schnellen Datenaustausch zwischen Kliniksystemen, Praxen, DiGAs, Krankenkassen und Patient:innen.


ConnectedCare Interoperabilität | Blaue Illustration von 3D-Smartphone mit Medizin-Symbolen drumherum

Ohne interoperable IT-Systeme laufen sämtliche Bemühungen um ein digitales Gesundheitswesen ins Leere. Darin sind sich Bundesgesundheitsministerium, gematik, bvitg und Industrie einig. Während staatlich-institutionelle Akteure alles daransetzen, die Voraussetzungen für mehr Interoperabilität im Gesundheitswesen zu schaffen, bildet die Industrie eine Ausnahme. Wenngleich sich die Player der Branche der Notwendigkeit bewusst sind, finden die unternommenen Anstrengungen für mehr Interoperabilität mancherorts schnell ihre Grenzen. Warum? Nedret Akcaoglu, Chief Business Development Officer bei BEWATEC, mit einem Erklärungsversuch.

Grenzen technischer Interoperabilität

Für ein bisschen mehr Hintergrund: Warum ist Interoperabilität so wichtig für ein digitales Gesundheitswesen? Man kommt an diesem Begriff kaum mehr vorbei.

Nedret Akcaoglu: Für viele Teilbereiche des digitalen Gesundheitswesens stellt Interoperabilität eine Grundvoraussetzung dar. Nehmen Sie z. B. den Krankenhaussektor. In einer Klinik durchschnittlicher Größe kommen nicht selten um die 100 verschiedene IT-Systeme zum Einsatz. Die Arbeit sämtlicher Fachbereiche innerhalb der Klinik wird durch verschiedene Systeme wie PACS, RIS, KIS oder Patientenportale unterstützt. Der entscheidende Punkt für digitale Prozessoptimierung ist aber der Datenaustausch zwischen den verschiedenen Systemen. Das gilt für die Systeme in einem Krankenhaus genauso wie für DiGAs oder die ePA. Nur wenn die Systeme alle dieselbe Sprache sprechen, und die ausgetauschten Datenpakete für alle Systeme ein und dieselbe Bedeutung haben, können sich die Potentiale der Digitalisierung im Gesundheitswesen vollends entfalten.

 

Die Notwendigkeit und das Funktionsprinzip leuchten ein. Aber es gibt immer noch Stellen, an denen Interoperabilität unzureichend ist. An welchem Beispiel lässt sich das festmachen?

Nedret Akcaoglu: Hier ist eine Praxis aus der Klinikbranche zu nennen, die das Problem gut veranschaulicht. HL7 ist im Gesundheitswesen einer der wichtigen Kommunikationsstandards für IT-Systeme. In einigen Krankenhäusern wird der HL7-Nachrichtentyp ORU dahingehend zweckentfremdet, als dass er dafür genutzt wird Patientenstammdaten zwischen KIS, PACS und anderen Kliniksystemen auszutauschen. Das ist zwar sehr findig und einfallsreich, aber nicht der antizipierte Workflow. Denn ORU steht für Observation Result und eigentlich ist dieser Nachrichtentyp für die Übermittlung von Laborergebnissen und anderen Befunden gedacht. 

 

Was ist aus Ihrer Sicht notwendig, damit solche Umwege im Datenaustausch bald der Vergangenheit angehören und Interoperabilität nicht an den Grenzen einzelner IT-Systeme endet?

Nedret Akcaoglu: Meiner Meinung nach braucht es dafür eine „unternehmerische Offenheit“ seitens der Industrie. Damit meine ich den Willen und die Bereitschaft von Unternehmen, IT-Lösungen zu konzeptionieren und zu entwickeln, die anschlussfähig aneinander sind und sich nicht voneinander abschotten. Niemand profitiert von Insellösungen, die keine Fremdsysteme unterstützen. Das bremst die Interoperabilität für ein digitales Gesundheitswesen ungemein. Prof. Andréa Belliger, Co-Direktorin des Instituts für Kommunikation und Führung Luzern, umschreibt es mit dem Begriff „kulturelle Interoperabilität“. Damit meint sie weniger einen Wandel auf technischer Ebene, als viel mehr ein Umdenken und einen Wandel im Mindset aller für Akteure, die für ein digitales Gesundheitswesen relevant sind. Wenn das nicht passiert und isolierte Lösungsansätze weiter fortbestehen, nützt das weder der Industrie, noch den Kliniken und am allerwenigsten den Usern, wie Patient:innen, Pflegekräften und Ärzt:innen.
 

Herr Akcaoglu, vielen Dank für das Gespräch.